Leseprobe_Tittel_Anatomie_lowres - page 11

6.4 Formen der Muskeln
65
6
signifikanten Abnahme der Muskelfaserquerschnitte
(insbesondere innerhalb der STF) und damit der iso-
metrischen Kraft um mehr als 30–40% und damit zu
einer reduzierten oxidativen enzymatischen Aktivität der
Succinatdehydrogenase.
K
linik
 Diese Erkenntnis hat in der Traumatologie zu entsprechen-
den Konsequenzen geführt (sehr kritische Festlegung von Immobili-
sationsformen und -zeiten, Tape-Verbände) (Tab. 6.1).
Tabelle 6.1
Altersabhängiger Parameter Skelettmuskel
Untrainiert
Mann (KM: 70 kg) Frau (KM: 65 kg)
20.–30. Lj.
MM ca. 40 kg
MM ca. 37 kg
Muskelmasseabnahme (MM-Abnahme):
30.–50. Lj.
3–5%/Dekade
3–4%/Dekade
60.–70. Lj.
8–10%/Dekade 7–8%/Dekade
Konsequenzen:
·
·
kürzer werdende Schrittamplitude
·
·
Abnahme der Gehgeschwindigkeit 
 
(50.–60. Lj.: 1,52 m/s; 70.–80. Lj.: 1,21 m/s)
·
·
Verlust an Rumpfbeweglichkeit
·
·
Einschränkung transversaler Becken-Rotations- 
bewegungen
·
·
Verkürzung ischiokruraler Muskeln
K
linik
 Diese an der Skelettmuskulatur gewonnenen Ergebnisse
und Erkenntnisse haben auch in der praktischen Gestaltung der Gero-
hygiene und des Alterssports ihren Niederschlag gefunden. Gerade für
den älteren Menschen ist eine regelmäßige sportliche Betätigung von
außerordentlichemNutzen, drängt sie die zunehmend sich verringern-
de Kapillarpermeabilität, die auf eine Verdichtung und Verdickung der
Blutgefäßwand zurückzuführen ist, zurück, wodurch die Einschränkung
der Austauschfunktionen an der Blut-Gewebe-Schranke, die für eine vol-
le Funktionstüchtigkeit der Zellen und Zellverbände verantwortlich sind,
erst zu einem relativ späten Zeitpunkt einsetzt. Auch dieMitochondrien
der Skelettmuskulatur sind in der Lage, sich selbst im fortgeschrittenen
Alter strukturell und funktionell regelmäßigen gezielten sportlichen
Beanspruchungen anzupassen, womit unterstrichen wird, dass die
Reaktionsfähigkeit des Kapillargefäßsystems und des Mitochondrien-
besatzes der Skelettmuskulatur die Gesundheit und Leistungsfähigkeit
des alternden Menschen in entscheidendem Maße bestimmt.
6.4 Formen der Muskeln
Obwohl die Muskeln während der Bewegung ständig
ihre Form ändern, lassen sich dennoch einige typische
und häufig wiederkehrende
Formen
mehr oder weni-
ger deutlich ausmachen. So unterscheidet man – und
damit tritt eine gewisse Parallele zur Knochengestalt
zutage –
lange, kurze, ringförmige
und
breite Muskeln.
Während die Erstgenannten als spindelförmige Gebil-
de vorwiegend im Bereich der Extremitätenmuskulatur
angetroffen werden, findet man die ringförmige und
breite, flächenhafte Muskulatur fast ausschließlich im
Bereich des Rumpfes.
Die Enden des Muskels bezeichnet man als
„Ursprung“
(Origo)
und
„Ansatz“
(Insertio):
•• Unter dem „Ursprung“ versteht man jene Anhef-
tungsstelle des Muskels am passiven Bewegungsappa-
rat, die demRumpf näher gelegen und damit zugleich
unbeweglicher ist
(Punctum fixum),
•• während der „Ansatz“ den vom Rumpf entfernteren
und beweglicheren Punkt
(Punctummobile)
darstellt.
Ursprung und Ansatz erfolgen zumeist in Form von
Sehnen bzw. sehnigen Platten
(Aponeurosen).
S
port
 Bei der Analyse sportlicher Bewegungsabläufe (
Kap. 14)
wird man sehr oft der Tatsache begegnen, dass sich Muskeln (v. a. des
Schulter- und Beckengürtels) doppelsinnig betätigen, d. h. Ursprung
und Ansatz miteinander vertauschen. Sie bewegen zwar – und das
in erster Linie – die Extremitäten, haben bei deren Feststellung aber
auch einen Einfluss auf den Rumpf. Ein Muskel, der beispielsweise
vom Becken über das Hüftgelenk zum Schenkelbein zieht, kann bei
festgestelltemBecken das Bein heben, zumanderen aber bei fixiertem
Oberschenkel – wie z. B. im Stehen – das Becken und damit zugleich
den Rumpf beugen. Das eineMal liegt der unbeweglichere Anheftungs-
punkt des Muskels amBecken, das andereMal amSchenkelbein. Auch
beimKlimmzug – umnoch ein weiteres Beispiel zu nennen – wechseln
Ursprung und Ansatz, da die Armbeuger den Rumpf an die Arme her-
anbringen. Wir erkennen hieraus, dass die Begriffe „Ursprung“ und
„Ansatz“ in der Bewegung keine absolut gültigen sind.
6.4.1 Muskeln ohne und mit bestimmtem
Ursprung und Ansatz
Nach der Art, wie die Muskeln ihre Arbeit verrich-
ten, unterteilt man sie in

Muskeln
ohne
bestimmten Ursprung und Ansatz,
Muskeln
mit
bestimmtem Ursprung und Ansatz.
Muskeln ohne bestimmten Ursprung und Ansatz
Zu dieser Gruppe gehören (zumeist unwillkürliche,
glatte) Muskeln, die in enger Beziehung zu Hohlräumen
verschiedenster Größe stehen. Sie kleiden diese entweder
Abb. 6.13
 Aufsplitterung der Z-Streifen innerhalb der I-Bän-
der unmittelbar nach erschöpfender exzentrischer Belastung
(100-km-Lauf im Gebirge) in elektronenmikroskopischer Dar-
stellung; 20000:1.
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12,13,14,15,16,17,18,19,20,21,...78
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