Leseprobe_Tittel_Anatomie_lowres - page 19

10.5 Bauchregion
(Regio abdominalis)
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10
dieser Bewegung erfolgt dann durch die Schwerkraft, der
jetzt die tiefe Rückenstreckmuskulatur hemmend ent-
gegenarbeitet. Eine wesentlich größere Beanspruchung
stellt diese Übung für die geraden Bauchmuskeln dar,
wenn sie aus einer horizontalen Lage des Körpers erfolgt.
Bei der
Rumpfbeugung nach hinten
begegnen wir
dem gleichen Wechselspiel der beiden großen Muskel-
gruppen, nur dass diesmal nach erfolgter Einleitung der
Bewegung die Schwere, die den Körper einknickt, von
Seiten der geraden Bauchmuskulatur, die sich kräftig
anspannt, aufgehalten wird.
Bei der
Neigung des Oberkörpers nach der Seite
sind
außer demRückenstrecker der äußere und innere schräge
Bauchmuskel der betreffenden Seite sowie der gleich-
seitige viereckige Lendenmuskel in Aktion. Bei
Dreh-
bewegungen
(Abb. 10.29) arbeitet der äußere schräge
Bauchmuskel der einen Seite mit dem inneren schrägen
Bauchmuskel der Gegenseite zusammen, wobei letzterer
die Richtung der Drehung bestimmt (s. finale Dreh-
streckung des Rumpfes bei Wurf- und Stoßdisziplinen;
Kap. 14.6).
K
linik
 Die Bauchmuskeln üben jedoch nicht nur auf die Bewegung
des Rumpfes, sondern auch auf den Inhalt der Bauchhöhle ihren Ein-
fluss aus. Verkürzen sich die Faserzüge vor allem des queren Bauch-
muskels sowie die des Zwerchfells und der Beckenbodenmuskulatur,
dann kommt es zu einer Erhöhung des intraabdominellen Drucks,
den wir z. B. bei der Entleerung des Mastdarms und der Harnblase,
beim Erbrechen und bei der Austreibung der Frucht während des
Geburtsakts (Mitpressen der Gebärenden [„Presswehen“]) benötigen.
Um den Einfluss der Bauchmuskeln auf den Inhalt der Bauch- und
Beckeneingeweide besonders wirkungsvoll zu gestalten, muss sich das
Zwerchfell kräftig anspannen, was durch den Verschluss der Stimm-
ritze im Kehlkopf erreicht wird. Dadurch wird das Ausatmen – und
damit ein Ausweichen des Zwerchfells nach oben – verhütet. Diese
Austreibungs- bzw. Entleerungsfunktion hat der Bauchmuskulatur die
Bezeichnung „Bauchpresse“ eingebracht. Mit ihrer Hilfe ist es möglich,
den Belastungsdruck in den Zwischenwirbelscheiben beim Heben
schwerer Lasten (
Tafel 14.17
) für einige Sekunden um 30–40%
zu senken.
Noch eine weitere und wichtige Funktion übt das starke
Muskelplatten-Sehnen-System aus, indem es den emp-
findlichen und leicht verletzbaren inneren Organen
Schutz
gewährt. Dabei kommt ihm die erhöhte Reflex-
erregbarkeit der Bauchdecke sehr zugute, die sich bereits
bei relativ schwachen mechanischen oder thermischen
Reizen kräftig zusammenzieht.
Aus demGesagten geht hervor, dass die
Bauchmuskeln
niemals
als anatomische Gebilde
einzeln
arbeiten, son-
dern stets nur als ein wenn auch wichtiger
Teil eines
übergeordneten Systems
zu verstehen sind, zumal sie
als integrierter
Bestandteil
großer Muskelschlingen
(
Kap. 14.7) den Rumpf mit den oberen und unteren
Gliedmaßen verbinden.
10.5.3 Mechanik der Rippen- und
Zwerchfellatmung
Die Hauptatemmuskeln, das
Zwerchfell
(Diaphragma)
und die
inneren und äußeren Zwischenrippenmuskeln
(Mm. intercostales interni et externi),
die
Bauchmuskeln
und die
Atemhilfsmuskeln,
die bei verstärkter Ein- und
Ausatmung in Aktion treten (s. o.), greifen amBrustkorb
an, wobei sie diesen auf Grund ihres Faserverlaufs bei
seinen Bewegungen entscheidend beeinflussen können.
Wie Abbildung 10.30 zeigt, erfährt der
Brustkorb
bei
der Atmung nicht unbeträchtliche
Formveränderun-
gen.
Wird er z. B.
gehoben,
so kommt es zu einer
Er-
weiterung sowohl in sagittaler als auch transversaler
Richtung,
wodurch die Lungen genügend Raum zur
Ausdehnung, zur Aufnahme von O
2
und zur Abgabe
von CO
2
erhalten, da sie passiv den Exkursionen des
Brustkorbs folgen. Diese Bewegungen der einzelnen Rip-
penpaare sind möglich, weil sie gegen dieWirbelsäule in
entsprechenden Gelenken, die wir bereits kennengelernt
haben, drehbar sind. Zum anderen trägt der schräg nach
unten weisende Rippenverlauf dazu bei, den Brustkorb
beim Heben der beiderseitigen Rippenbögen zu vergrö-
ßern. Auch die bereits besprochene gelenkige Verbindung
Abb. 10.29 
Die Beteiligung der Bauchmuskulatur an der Rumpf-
drehung.
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1...,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 20,21,22,23,24,25,26,27,28,29,...78
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