Leseprobe_Tittel_Anatomie_lowres - page 25

12.2 Das Kniegelenk
(Art. genus)
217
12
lernen wir nun ein Bänderpaar, die Kreuzbänder
(Ligg.
cruciata),
kennen, die sich entwicklungsgeschichtlich von
dorsal her gewissermaßen als sagittale Scheidewand in
den Gelenkraum vorgeschoben haben.
Man unterscheidet
 ein
vorderes
1,5–2 cm langes
Kreuzband
(Lig.
cruciatum anterius),
das die Gleitrichtung des
Schienbeins nach vorn sichert,
 von einem
hinteren,
kürzeren, kräftigeren und
steil gestellten
Kreuzband
(Lig. cruciatum poste-
rius),
das die Gleitrichtung des Schienbeins nach
hinten sichert
.
Das
vordere Kreuzband
verläuft zwischen der vorderen
Bandgrube des Schienbeins
(Fossa intercondylaris anterior)
und der Innenfläche des äußeren Schenkelbeinknorrens
(Facies medialis condyli
lateralis)
. Es ist in sich gedreht und
weist einen medioanterioren und einen lateroposterioren
Teil auf. Bei einer Kniegelenksbeugung ist die medioan-
teriore Komponente, bei einer Kniegelenksstreckung die
lateroposteriore Komponente angespannt.
Das
hintere Kreuzband
– das kräftigste Band des
Kniegelenks – ist zwischen der hinteren Bandgrube des
Schienbeins und der Innenfläche des inneren Schen-
kelbeinknorrens
(Facies
lateralis condyli medialis)
ausge-
spannt. Es besteht ebenfalls aus mehreren, funktionell
unterschiedlich tätigen Faszikeln.
Beide Kreuzbänder stehen in Kontakt mit den Menis-
ken: so strahlen Züge des hinteren Kreuzbands in den
dorsalen Bereich des lateralen C-Knorpels aus, während
einige Bündel des vorderen Bands zum medialen Me-
niskus ziehen.
Die Kreuzbänder liegen so, dass in
fast allen Stellun-
gen
des Kniegelenks
Teile von ihnen gespannt sind.
Sie bilden, was insbesondere für das hintere Kreuzband
zutrifft, „zentrale Stützpfeiler“, woraus ihre Bedeutung
für die
dynamische Stabilität des Kniegelenks
resul-
tiert. Sie verhindern vor allem in der gefährdeten labilen
Beugestellung, in der die Seitenbänder entspannt sind,
ein Nach-vorn-und-hinten-Bewegen der Gelenksflächen
und schränken durch die Stabilität und Verlaufsrichtung
ihrer kräftigen Fasern die Kreiselbewegungen des Unter-
schenkels ein, insbesondere die Innenrotation, bei der
sich beide Bänder umeinander wickeln, während sie sich
bei der Außenrotation wieder abrollen (Abb. 12.17).
K
linik
 Kommt es unter anderembei Ski- und Fußballunfällen infolge
einer übertrieben starken Rotation der Tibia nach innen oder außen zu
einer Verletzung eines der beiden Kreuzbänder (die zumeist mit einer
Seitenbandschädigung kombiniert ist), dann weist der im Kniegelenk
gebeugte Unterschenkel bei einemKreiselungsversuch eine abnorme
Beweglichkeit auf, die bei einer kompletten Zerreißung des Kreuz-
bänderpaars zum sog. „Schubladen-Phänomen“, zur Instabilität des
Kniegelenks, führt, bei dem sich der Unterschenkel gegenüber dem
Oberschenkel bei rechtwinkliger Kniegelenksbeugung in sagittaler
Richtung ummehr als 5mmnach vorn oder hinten schubladenähnlich
verschieben lässt.
Kniescheibenband
Im Bereich des kräftigen Kniescheibenbands, der End-
sehne des vierköpfigen Schenkelmuskels
(M. quadriceps
femoris),
kann die Gelenkkapsel den Gestaltsänderungen
der Gelenkhöhle bei den Bewegungen nicht folgen. Es
schiebt sich deshalb von vorn ein von Synovialhaut über-
zogener, keilförmiger, formelastischer
Fettkörper
(Cor-
pus adiposum infrapatellare genus)
zwischen Band und
Gelenkhöhle ( Tafeln 12.1–12.4 ), der mit zwei breiten
Abspaltungen des Kniescheibenbandes, den
Flügelfalten
(Plicae alares),
die Seitenflächen und den unteren Knie-
scheibenpol umfasst. Bei der Beugung des Kniegelenks
Abb.12.17 
Die funktionelle Partnerschaft zwischen Kreuz- und Seitenbändern bei gestrecktem, gebeugtem, ein- und auswärts gedrehtem
Kniegelenk. Die angespannten Bandzüge sind dunkel, die entspannten heller dargestellt.
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