Geleitwort
Seit die Akupunktur vor nunmehr etwa einem halben Jahrhundert
breiteren Kreisen in Europa und den USA bekannt wurde, gab es
verschiedenste Ansätze, ihre auf den ersten Blick paradoxe Wirksam-
keit zu verstehen.
Ihre Herkunft aus der TCM legte die Verwendung unorthodo-
xer, bisweilen ans Mystische grenzender Erklärungsmodelle nahe,
zumal der Zeitgeist einer den eurozentrisch naturwissenschaftlichen
Standpunkt relativierenden Haltung sehr gewogen war. Nichtsdesto-
weniger boten sich auch moderne Methoden der Neurowissenschaft
zunehmend an, bei der Klärung insbesondere der analgetischen Wir-
kung der Akupunktur behilflich zu sein. Trotzdem führten die zahl-
reichen Forschungen auf diesem Gebiet zu keinem befriedigenden
kausalen Verständnis des Phänomens.
Nicht selten zeigt das Ablegen aller komplizierten und esoteri-
schen Gedankenhüllen, das heißt die Rückbesinnung auf einfache
Prinzipien, einen Weg zur Lösung auf.
Die Idee, die Wirkung der Akupunktur könnte mit Hilfe segmen-
taler Zusammenhänge erklärt werden, wurde zwar sehr früh verwor-
fen, doch zeigt eine akribische Analyse vor allem der Dermatome
und Myotome, dass diese lang bekannten, doch in ihrer Detail-
liertheit meist wenig durchdrungenen Organisationsprinzipien sehr
wohl geeignet sind, auf der Basis konventioneller afferent-efferenter,
somato-viszeraler und neuronaler Verbindungen die meisten empiri-
schen Akupunkturphänome plausibel zu machen.
Dies geleistet zu haben, ist das enorme Verdienst des vorliegenden
Buches.
Der Autorin gelingt dies durch die Verbindung einer jahrzehnte-
langen klinischen Erfahrung mit einer stupenden Kenntnis der älte-
ren und vor allem auch neueren Literatur.
Sie gibt somit dem Praktiker einen Kompass in die Hand, mit
dem er durch den Dschungel vermeintlich rätselhafter, unerklär
licher Symptome und „Nadelungseffekte“ navigieren kann.
Dem Werk ist daher weiteste Verbreitung zu wünschen.
W. Neuhuber,
Erlangen, 2016