15.3 Innenräume des Herzens (Vorhöfe, Kammern, Klappensysteme)
353
15
seine Abflachung das Herz mitnimmt, so dass dieses eine
steile Form – man spricht in extremen Fällen von der
sog. „Tropfenfigur“ des Herzens – aufweist.
15.3 Innenräume des Herzens
(Vorhöfe, Kammern, Klappensysteme)
Am eröffneten Herz (Abb. 15.5 und 15.6) kann man
feststellen, dass eine in ihrem unteren Anteil kräftige
muskuläre Längsscheidewand
das Herz in eine rechte
(venöse) und eine linke (arterielle) Hälfte
teilt. Durch
eine
bindegewebige
zweite (s. o.) und auf der Ersteren
annähernd senkrecht stehende
Trennwand
wird jede der
beiden Herzhälften nochmals in sich untergliedert. Es
entstehen auf diese Art insgesamt vier unterschiedlich
große Hohlräume:
•• die zwei dünnwandigen Vorhöfe oder Vorkammern
(Atrien)
und
•• die zwei dickwandigen Kammern
(Ventrikel).
Die Vorkammern haben die Aufgabe, das Blut zu sam-
meln und den Kammern zuzuführen, während diese es
in die großen Blutgefäße befördern.
Rechter Vorhof des Herzens
(Atrium cordis
dextrum)
Der rechte Vorhof
(Atrium dextrum)
weist eine ovale
Gestalt und einen langen, senkrecht stehenden Durch-
messer (Fassungsvermögen: 120 ml) auf. Er sammelt das
mit Stoffwechselendprodukten beladene Blut. In ihn
münden zu diesem Zweck
•• von kranial: die obere Hohlvene
(V. cava superior),
•• von kaudal: die untere Hohlvene
(V. cava inferior)
und
•• von dorsal: die Herzkranzvenen
(Sinus coronarius),
die das aus dem Eigenstoffwechsel des Herzens stam-
mende
venöse
Blut aufnehmen.
Nach ventral erfährt der rechte Vorhof seine Begrenzung
durch das rechte, zipfelförmige „Herzohr“
(Auricula dex-
tra)
. Es stellt einen kleinen Nebenraum über demHerzen
dar, der wie ein Ohr über dem Kopf eines Tieres liegt.
E
xkurs
Das rechte Herzohr ist derjenige Punkt, an dem der Motor
unseres Kreislaufs in der Keimesentwicklung zu schlagen beginnt und
nach demTode als letzter zu pulsieren aufhört. Man hat deshalb diesem
kleinen Bezirk die Bezeichnung
„primum oriens ultimum moriens“
gegeben, was etwa „das Erste im Entstehen das Letzte im Vergehen“
bedeutet.
An der relativ dünnen Trennwand zum linken Vorhof
(Septum interatriale)
erkennt man eine länglich ovale,
membranöse Grube
(Fossa
ovalis),
die von einem Mus-
kelwulst
(Limbus fossae ovalis)
umrahmt wird. Sie ist Rest
einer normalerweise nur beimKeimling vorkommenden
Öffnung
(Foramen ovale)
, durch die in der Embryonal-
und Fetalzeit das sauerstoffreiche Blut in den linken
Vorhof hinüberfließt, da ja die noch nicht in Funktion
befindliche Lunge umgangen werden muss.
Rechte Herzkammer
(Ventriculus cordis dexter)
Die rechte, relativ dünnwandige Herzkammer
(Ventri-
culus dexter)
zeigt die Gestalt einer dreiseitigen Pyrami-
de mit einem Fassungsvermögen von 160 ml. Aus ihr
nimmt der Stamm der
Lungenarterie
(Truncus pulmona-
lis)
seinen Ursprung, der sich gegen die Kammer durch
eine Taschenklappe
(Valva
trunci pulmonalis
) abschließt
(Abb. 15.5). Ihre 3–5 mm starke Muskulatur ist vorran-
gig
rechts
spiralig angeordnet.
Linker Vorhof
(Atrium cordis sinistrum)
Der linke Vorhof
(Atrium sinistrum)
besitzt eine mehr
rechteckige, quer stehende Form (Fassungsvermögen:
80 ml), die sich nach ventral zum linken Herzohr
(Au-
ricula sinistra)
entwickelt. In den linken Vorhof, der den
größtenTeil der Herzbasis ausmacht, münden von lateral
her jederseits zwei klappenlose
Lungenvenen
(Vv. pul-
monales),
die
arterialisiertes
Blut aus den Kapillarnetzen
der Alveolen der Lunge dem Herzen, speziell dessen
linker Hälfte, zuleiten. Auf Grund ihrer Verlaufsrichtung
bilden die horizontal verlaufenden Lungenvenen mit den
vertikal angeordneten zwei großen Hohlvenen das sog.
„Venenkreuz“ des Herzens.
Linke Herzkammer
(Ventriculus cordis sinister)
Die sehr geräumige, 150 ml Blut fassende kegelförmige
linke Herzkammer
(Ventriculus sinister)
hat eine sehr
muskelkräftige 10–15 mm dicke Wand, die eine
links-
spiralige Struktur aufweist. Ihr kommt die entschei-
dende Aufgabe zu, eine bestimmte Blutmenge bei jeder
Herzkontraktion – man spricht auch vom
„Schlagvo-
lumen“
(das sich beim Untrainierten auf 70 ml, beim
Ausdauertrainierten auf 150–200 ml beläuft) – gegen
den in der großen Körperschlagader
(Aorta)
herrschen-
den Strömungswiderstand mit einem Druck von etwa
1730 Pa und mit einer bestimmten Anfangsgeschwin-
digkeit auszutreiben.
Die linke Herzkammer besitzt als sicheren Abschluss
gegenüber der großen Körperschlagader eine dreiteilige
Taschenklappe
(Valva aortae),
die im Anfang der Aorta
sitzt, die noch kräftiger als die der Lungenschlagader
entwickelt ist, da sie ja einemwesentlich größeren Druck
Widerstand leisten muss (Abb. 15.6).
Die rechte Herzkammer braucht demgegenüber nur eine
Druckleistung von 2650–4000 Pa aufzuwenden, um
den in der Lungenschlagader vorherrschenden Druck zu
überwinden und damit das verbrauchte, sauerstoffarme
Blut in den Lungenkreislauf auszuwerfen.
Herzklappen
Taschenklappen
(Valvae semilunares)
Die erwähnten Taschenklappen
setzen sich aus drei
halbmondförmigen, beiderseits mit Endothel überzo-
genen Bindegewebshäuten oder „Taschen“ zusammen,
wodurch sie ihren Namen
(Valvae
semilunares,
lat.
semi