15.4 Mechanik der Herzaktion und deren Ökonomisierung durch ein dynamisches Muskeltraining
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Die Segelklappen
– auch
Atrioventrikularklappen
genannt – sind demzufolge, im Gegensatz zu den pas-
siv bewegten
Taschen-
oder
Semilunarklappen
,
mit
regulierbaren, durch Muskelkraft verstellbaren Segeln
zu vergleichen, die ein Zurücktreten des Bluts in die
Vorkammer während der Kammerkontraktion verhü-
ten.
K
linik
Bei den „Herzklappenfehlern“, denen zumeist entzündli-
che Prozesse (Rheuma, Diphtherie, chronisch auftretende Mandel-
entzündungen) vorausgegangen sind, die mit Narbenbildung, d. h.
mit Schrumpfung eines kleineren Teils des Klappensystems, enden,
kommt es – das trifft sowohl für die Taschen- als auch Segelklappen
zu – zu einem undichten Verschluss, so dass ein Teil des Bluts aus den
Gefäßen in die entsprechende Herzkammern bzw. aus einer Kammer
in die Vorkammer zurückfließt, was man beim Abhören der Klappen-
tätigkeit eindeutig feststellen kann.
15.4 Mechanik der Herzaktion
und deren Ökonomisierung durch ein
dynamisches Muskeltraining
Auf Grund des bisher geschilderten Aufbaues des Her-
zens kann man feststellen, dass es in seiner Arbeitsweise
viel Ähnlichkeit mit der einer
Saug- und Druckpumpe
hat, in der Ventile (Klappen) die gleichbleibende Rich-
tung des Blutumlaufs sichern. Dabei lösen sich während
der einzelnen Arbeitsakte die jeweils gleichsinnig und
annähernd synchron tätigen Vorhöfe bzw. Kammern ab.
•• Im ersten Arbeitsgang kontrahieren sich die beiden
Vorhöfe der Länge und Breite nach, wobei sie das
angesammelte Blut durch die geöffneten Segelklap-
pen in die erschlafften Herzkammern transportieren
(„Füllungsphase“)
.
•• Der zweite Arbeitsgang besteht in einer Erschlaffung
der Vorhöfe, in einem Anstieg des Kammerdrucks
(„Anspannungsphase“),
•• gefolgt von einer Kontraktion der Kammern, deren
muskelkräftige Wände mittels des erhöhten Kam-
merdrucks (der zur Überwindung der peripheren
Widerstände von entscheidender Bedeutung ist) das
Blut durch die geöffnetenTaschenklappen in die gro-
ßen Arterien pressen (dritter Arbeitsgang =
„Austrei-
bungsphase“)
.
•• Danach folgt eine zwar kurz bemessene, aber für den
unaufhörlich tätigen Herzmuskel sehr wichtige
Pau-
se
,
die der Erholung dient
(„Entspannungsphase“).
In dieser Zeitspanne füllen sich bereits die leeren Vor-
höfe wieder aufs Neue.
Wie sehr das Herz derartiger Ruhezeiten bedarf, um
nicht schon frühzeitig zu ermüden und damit leistungs-
unfähig zu werden, ist wohl am anschaulichsten den
nachfolgenden Zahlenangaben (s. u.) zu entnehmen.
Da diese Werte ausschließlich für den
Untrainierten
gelten, darf hinzugefügt werden, dass beim
trainierten
Leistungsherzen
die erwähnten Ruhepausen länger sind,
wodurch die Herzarbeit (vor allem bei Ausdauersport-
lern) ökonomisiert wird. Diese Feststellung trifft für alle
Altersstufen zu:
EinemAltersanstieg der Herztätigkeit beim
Untrainier-
ten
in 24 Stunden von 98 N [11–140] (bzw. 98067 J)
auf 137 N [140] (bzw. 136293 J) entspricht ein Alters-
anstieg der Werte der Herzarbeit beim
Trainierten
von
49 N [50] (bzw. 49033 J) auf 78 N [80] (bzw. 78453 J)
in Körperruhe zwischen dem 20. und 60. Lebensjahr.
Das bedeutet, dass das
ausdauertrainierte Leistungs-
herz
täglich in Körperruhe 50 N (bzw. 49033 J) bis
60 N (bzw. 58840 J) an Arbeit
einspart
.
Selbst wenn für den Leistungssportler 3–4 Stunden
Training pro Tag (bei sonst gleichbleibender beruflicher
Betätigung) einkalkuliert werden, was eine belastungsin-
duzierte Zunahme des Energieumsatzes, verbunden mit
einemMehrbedarf an Sauerstoff und Nährstoffen in der
Arbeitsmuskulatur, bedingt, liegt der
Gesamtarbeits-
wert seines Herzens für 24 Stunden
noch weit unter
dem „Normalwert“ eines Untrainierten.
Diese trainingsinduzierten funktionellen Anpassungen
des kardiozirkulatorischen Systems werden also nicht nur
vom Umfang und von der Intensität des Trainings, son-
dern auch vom Ausmaß der ins Training einbezogenen
Muskeln und deren dynamischer/statischer Belastung
bestimmt.
Das vorrangig auf Ausdauer langfristig trainierte „Sport-
herz“ zeichnet sich u. a. aus
•• durch eine signifikante physiologische
Zunahme
–– der linksventrikulären Muskelmasse (im Durch-
schnitt: 440 g) und
–– des relativen Herzgewichts (7–7,6 g/kg Körper-
masse),
•• durch eine aus der Verminderung des sympathischen
Antriebs resultierende und von jedermann messbare
Reduzierung der Herzschlagfrequenz in Körperruhe
(„Ruhebradykardie“) sowie auf gegebenen submaxi-
malen Belastungsstufen und
•• durch eine Vergrößerung des Herzschlagvolumens
aus (s. o.).
Das Sportherz ist des Weiteren gekennzeichnet durch
eine
•• Verlängerung der Diastolendauer,
•• verminderte Katecholaminfreisetzung,
•• deutliche Senkung des systolischen Blutdrucks sowie
•• Stabilisierung der elektrischen Aktivität und
•• Reduzierung des peripheren Blutgefäßwiderstands
und Zunahme der Querschnittsfläche im Bereich der
mittleren und kleinen Arterien.
Die Mehrzahl dieser im Endergebnis eines dynamischen,
ausdauerbetonten Muskeltrainings erreichten Faktoren
führen letztlich zu einer
Ökonomisierung (Verringe-
rung) des Sauerstoffbedarfs
bei gleichzeitiger
Vergrö-
ßerung des Sauerstoffangebots in der Herzmusku-
latur.